Fawn als Traumafolgereaktion

Der Fawn oder Bambi-Reflex, ist eine Form von Traumafolgereaktion (neben fight, flight und freeze). Mehr zum Thema Trauma hier.

Im englischen bedeutet fawn Rehkitz, aber auch: jemandem schmeicheln, katzbuckeln oder kriechen. Fawn ist gekennzeichnet von chronischer Unterwerfung und Überanpassung.

Fawn response entsteht in der frühen Kindheit durch wiederholte emotionale Ausnahmezustände, denen das Kind (subjektiv oder objektiv) nicht entkommen kann. Das Kind lernt, dass Protest gegen Missbrauch jeglicher Art (und seien es „nur“ cholerische Wutausbrüche) zu schlimmen Konsequenzen führt. U.U. lernt es dies auch durch Abschauen von einer engen Bezugsperson (s. transgenerationales Trauma).

Der Fawn Response ist der Versuch, ein Stück (Ver-) Bindung zu retten, um sich nicht vollkommen verlassen zu fühlen. Das Kind lernt „unter dem Radar“ zu fliegen, nicht aufzufallen. Es ist freundlich und entgegenkommend, so dass niemand „böse“ auf es wird. Es will möglichst keine Aufmerksamkeit, Demütigung oder Gewalt auf sich ziehen. Die kindliche Annahme ist leider, dass es selbst der Auslöser für das Verhalten der Erwachsenen ist.

Es scannt beständig die Wünsche und Bedürfnisse der Erwachsenen und versucht, sich so zu verhalten, dass es nicht aneckt. Diese Kinder sind sehr „pflegeleicht“ und fallen weder in der Schule noch im Kindergarten auf. Sie werden für ihre Aufmerksamkeit sogar oft noch gelobt, was die Motivation sich anzupassen noch verstärkt.

Da der Fawn Response als Überlebensmechanismus entstanden ist, wird er auch zum Angstmanagement genutzt. Die innere Überzeugung der Person ist: Wenn ich nur lieb genug bin, dann wird mir nichts passieren.

Fawn im Erwachsenenalter

Im Erwachsenenalter ist Fawn geprägt von: People Pleasing (es allen recht machen wollen), extreme Selbstkritik, Harmoniesucht, kaum Zugang zu eigenen Bedürfnissen und diese schon gar nicht aussprechen können, keine Grenzen setzen können. Der Zugang zur eigenen Wut ist weitestgehend unterdrückt, weil gefühlt riskant.

Das Problem mit dem Bambi-Reflex ist, dass er für das Umfeld der Betroffenen wahnsinnig angenehm ist. Betroffene fallen nicht durch Problemverhalten auf, niemand kommt auf die Idee, dass die Person eine Traumafolgestörung hat. Für Menschen im Umfeld dieser zwangs-freundlichen Personen bedeutet dies, dass sie ständig gesehen, ihre Bedürfnisse weitestgehend erfüllt werden und es kaum Konflikte gibt. Es ist ein Automatismus, sich meistens den Bedürfnissen von anderen unterzuordnen. Dies geschieht so schnell, darüber müssen Betroffene nicht mehr nachdenken.

Für die Betroffenen besteht kaum Motivation, sich helfen zu lassen, denn Sie haben ja kein offensichtliches „Problem“. Es ist fast schon ein Segen, wenn die Betroffenen irgendwann bemerken, dass sie nicht glücklich sind mit dieser „Scheinharmonie“. Dass sie ständig im hustle sind, es anderen recht zu machen und selbst komplett zu kurz kommen.

Fawn als Traumfolgereaktion im Coaching

Auch vielen TherapeutInnen fällt das Verhalten oftmals kaum auf. Es handelt sich oft um sehr sympathische KlientInnen, die sich alle Mühe geben, es auch den TherapeutInnen recht zu machen und ihnen geben, was sie von ihnen erwarten. Ein Indiz für Fawn ist z.B., wenn Klientinnen erzählen, dass sie an ihrer Arbeitsstelle ausgenutzt werden oder sich ständig um Angehörige kümmern. Oder toxische Beziehungen und Co-Abhängigkeiten. Betroffene sind aufgrund des Fawn Response leichte Opfer von Narzissten. Ein weiterer Ansatzpunkt ist auch, wenn die Klientin ständig lächelt. Darauf aufmerksam gemacht, kann sie es nicht lassen bzw. dann zeigt sich Angst oder Scham. Das Lächeln ist zum „Ich bin lieb, tu mir nichts“ geworden.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass jede Form von Unangepasstheit oder Selbstbehauptung dazu führt, dass gefühlt etwas „Schlimmes“ passiert. Diese alten Gefühle werden wieder aktiv und fühlbar, wenn gegen die Konditionierung verstoßen wird. Jede Art von Selbstbehauptung oder Annäherung an eigene Bedürfnisse ist ein Vorstoß in unbekanntes und beängstigendes Gebiet. Es ist also nicht damit getan, der Klientin einfach zur Aufgabe zu machen, für ihre Bedürfnisse einzustehen.

Ein weiteres Problem ist, dass Betroffene kaum ein Gefühl für ihr eigenes SELBST haben. Es gibt nur das funktionale ICH, dessen Aufmerksamkeit immer nach außen ausgerichtet ist. Denn INNEN wartet eine große Portion Schmerz, Enttäuschung und Verwirrung. Die Begegnung damit ist so beängstigend, dass es viel Sicherheit und Unterstützung braucht, um sich selbst dort zu begegnen.

Es muss erstmal eine Sensibilität für das eigene Traumaverhalten entwickelt werden. Und es braucht einen sehr sicheren Raum, in dem die Klientin sich langsam ausprobieren kann, sich langsam wieder an sich selbst rantasten lernt und neue Erfahrungen macht.

Hast du das Gefühl, du lebst nur für die Anderen? Du kannst für dich unschöne Situationen nicht verändern, weil du dauernd Angst hast andere zu verletzen, also lässt du es lieber? Wenn du wieder lernen möchtest, Zugang zu dir selbst zu haben und ab und zu mal NEIN zu sagen… lass uns reden.

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